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Günter FLECHTNER
Dipl.-Biol. Günter Flechtner, Forschungsinstitut Senckenberg, Senckenberganlage 25, D-60325 Frankfurt am Main
Zusammenfassung: Der in seiner Verbreitung auf Mitteleuropa beschränkte, überall nur sehr sporadisch und sehr selten in alten urständigen Wäldern vorkommende Rüsselkäfer Gasterocercus depressirostris (Fabricius, 1792) lebt auch heute noch im Frankfurter Stadtwald. Ebenso der Kapuzenkäfer Lichenophanes varius (Illiger, 1801), dessen autochthones Vorkommen durch einen erneuten Fund bestätigt werden konnte. 12 weitere seltene, gefährdete oder geschützte, meist an Totholz gebundene Arten wurden mit den vorgenannten Käferarten beim Lichtfang im Gebiet der Alten Heeg im Schwanheimer Wald nachgewiesen.EinleitungFurther “primary forest” species rediscovered in the Frankfurt municipal forest (Coleoptera)
Abstract: The curculionid beetle Gasterocercus depressirostris (Fabricius, 1792), endemic to central Europe, everywhere found only very rarely and sporadically in ancient woods, was rediscovered in the Frankfurt municipal forest (Stadtwald). An autochthonous population of Lichenophanes varius (Illiger, 1801) (Bostrychidae) could be confirmed for the same district of the Schwanheimer forest. 12 further rare and endangered beetle species mostly living in decidous wood were registered by means of light trapping in the same district.
Die Lepidopterologen Petra Zub und Wolfgang A. Nässig hatten im Juni 1998 beim nächtlichen Lichtfang den Kapuzenkäfer Lichenophanes varius (Illiger, 1801) erstmals nach über 100 Jahren wieder im Frankfurter Stadtwald nachweisen können (Flechtner 1999). W. A. Nässig leuchtete erneut am 17. vi. 1999 an der Kreuzung der Kelsterbacher Schneise mit der Lärchenschneise im Bereich der Alten Heeg im Schwanheimer Unterwald. Einige nebenbei vom Leuchtturm abgelesene Käfer wurden mir zur Determination vorgelegt.
Autochthones Vorkommen von Lichenophanes varius bestätigt
Zwei Exemplare des nach der Roten Liste Deutschland (Binot et al. 1998) stark gefährdeten (RL 2) Lichenophanes varius belegen, daß das Vorkommen im Frankfurter Stadtwald auf keinem Zufallsfund beruht. Die Brutbäume müssen sich in der näheren Umgebung befinden.
Wiederentdeckung des Plattrüßlers Gasterocercus depressirostris (Fabricius, 1792) im Frankfurter Stadtwald
Die eigentliche Aufregung verursachte ein Exemplar des nach der Roten Liste vom Aussterben bedrohten (RL 1) Rüsselkäfers Gasterocercus depressirostris. Er war der Anlaß eines gemeinsamen Leuchtabends am oben genannten Fundort mit W. A. Nässig und M. Karner am 9. vii. 1999. Insgesamt 11 festgestellte Tiere deuten auf eine stattliche Population im Gebiet.
Die meisten der 675 in Deutschland vertretenen Arten der Familie Curculionidae leben an oder in krautigen Pflanzen. G. depressirostris gehört zu den relativ wenigen Totholzbrütern in Mitteleuropa. Nach Horion (1951) ist er eine rein mitteleuropäische Art. In seinem Verzeichnis der Käfer Mitteleuropas nannte er nur alte Funde vor 1910 aus Deutschland (Hessen, Thüringen, Mittelelbe, Brandenburg) sowie aus dem heutigen Polen (Schlesien), Niederösterreich und dem Elsaß. In einem Nachtrag zu diesem Verzeichnis meldete Horion (1957) neue Belege nach 1950 aus Brandenburg und Mittelelbe (= Sachsen-Anhalt). Köhler & Klausnitzer (1998) führten aktuelle deutsche Funde nach 1950 aus folgenden Gebieten auf: Baden, Pfalz, Niederelbe, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie alte Nachweise aus Bayern vor 1950 und aus Hessen vor 1900.
Verbreitung und Vorkommen in Hessen
Von Heyden (1904) berichtete, daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts August und Karl Stern den Käfer im August oft aus Frankfurter Waldholz erzogen hätten. Nach Scriba (1867) fanden noch früher Reißig und Klingelhöffer „diesen seltenen Käfer“ einzeln bei Darmstadt im Holzhofe. In den Sammlungen des Forschungsinstituts Senckenberg befinden sich 21 Tiere, die wohl alle im 19. Jahrhundert im Frankfurter Gebiet gesammelt wurden (Coll. Sattler 9 Ex. aus Holz im Juli 1891, Coll. Carl Stock 3 Ex., Coll. Neumann 3 Ex. aus Coll. Scriba, Coll. Saalmüller 2 Ex. aus Sammlung Stock [s. o.], Coll. Passavant 3 Ex. und Coll. Schwarzer, 1 Ex. gezüchtet aus Buchenstämmchen). Ein weiteres Tier aus dieser Zeit stammt aus der Gegend von Darmstadt (Coll. Neumann ex Sammlung Scriba). In der Sammlung des bekannten Pfälzer Sammlers Gustav Schaaf (Forschungsinstitut Senckenberg) stecken 2 Exemplare, die er im Mai 1932 im Schwanheimer Wald sammelte. In der Sammlung Vogt (Forschungsinstitut Senckenberg) findet sich ein Tier, das im Juli 1949 von ihm bei Darmstadt an einer Eiche erbeutet wurde.
Neuere Meldungen aus Hessen existieren von Reibnitz (1986), der am 29. iv. 1978 mehrere Larven in liegenden Eichenstämmen bei Bürstadt und am 25. vii. 1980 3 Ex. bei Mörfelden in der Puppenwiege in gefällten Eichen entdeckte. Brenner klopfte am 24. vi. 1993 bei Kelsterbach 1 Ex. von Quercus (Bornholdt & Brenner 1996, Bathon & Brenner 1996). Nolte et al. (1997) konnten im Lampertheimer Wald bei Viernheim in den Untersuchungsjahren 1994–96 die Art einzeln an Eichen nachweisen.
Wie aus den Fundangaben und der Verbreitungskarte (Abb. 1) zu entnehmen ist, beschränkt sich das Vorkommen des Plattrüßlers in Hessen auf die niederen Lagen im Einzugsbereich von Main und Rhein, wo wohl die meisten rezenten Vorkommen in Deutschland zu verzeichnen sind. Scherf (1964) kannte keinerlei Angaben zur Biologie der Art, die sich nach den jetzt vorliegenden Kenntnissen vorwiegend in Eichenholz entwickelt.
Weitere bemerkenswerte Arten beim Lichtfang am 9. vii. 1999
Der Lichtfang am 9. vii. 1999 im Schwanheimer Wald brachte eine Reihe
weiterer faunistisch bemerkenswerter (!) und gefährdeter (RL) Arten
beziehungsweise eine geschützte (G) Art (alle det. Flechtner), die
in systematischer Reihenfolge aufgeführt werden. Die Nomenklatur richtet
sich nach Köhler & Klausnitzer (1998).
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Familie/Art | Bemerkungen |
Carabidae — Laufkäfer | ||
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Anthracus consputus (Duft., 1812) | 2 Ex. am Leuchtturm, Sumpf-, Uferart |
Lycidae — Rotdeckenkäfer | ||
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Pyropterus nigroruber (Degeer, 1774) | 3 Ex. am Leuchtturm, 1 weiteres Ex. 17. vi. 1999 leg. Nässig, Totholz |
Elateridae — Schnellkäfer | ||
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Stenagostus rhombeus (Ol., 1790) | 1 Ex. am Leuchtturm, Laubholz |
Cucujidae — Plattkäfer | ||
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Pediacus depressus (Hbst., 1797) | 1 Männchen an Lichtfalle, Laubholz |
Latridiidae — Moderkäfer | ||
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Enicmus brevicornis (Mannh., 1844) | 2 Ex. an Stammscheibe von Buchenlagerholz, Laubholz |
Sphindidae — Staubpilzkäfer | ||
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Sphindus dubius (Gyll., 1808) | 1 Ex. in Staubpilz an Eichendürrständer, Laubholz |
Anobiidae — Klopfkäfer | ||
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Ernobius pini (Sturm, 1837) | 1 Männchen am Leuchtturm, Kiefer |
Scraptiidae — Seidenkäfer | ||
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Scraptia fuscula Müll., 1821 | 1 Ex. am Leuchtturm, Laubholz |
Aderidae — Mulmkäfer | ||
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Euglenes pygmaeus (Degeer, 1774) | 1 Weibchen am Leuchtturm, Laubholz |
Lucanidae — Hirschkäfer | ||
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Dorcus parallelipipedus (L., 1758) | 1 totes Ex. wurde am Rand der Schneise zum Wasserwerk Hinkelstein gesehen, Laubholz |
Cerambycidae — Bockkäfer | ||
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Prionus coriarius (L., 1758) | 1 Ex. am Leuchtturm, Laubholz |
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Exocentrus adspersus Muls., 1846 | 2 Ex. am Leuchtturm, 1 weiteres Ex. leg. Nässig 16. vi., Totholz |
Literatur
Abb. 1: Verbreitung von Gasterocercus depressirostris in Hessen. <offener Kringel> = nur Funde vor 1950, <schwarzer Kringel> = nur Funde nach 1975, <schwarzer Rhombus> = aktuelle und alte Funde.
Eingang: 14. x. 1999
© Entomologischer
Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main, Februar 2000 — ISSN 0723-9912
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